Kapitel V aus Christoph Strecker, Versöhnliche Scheidung, 3. Auflage:
Mediation bedeutet Vermittlung im Konflikt. In seiner aktuellen Bedeutung kommt der Begriff aus Amerika, wo sich in den letzten Jahrzehnten eine spezielle Technik der Konfliktverarbeitung herausgebildet hat. Es handelt sich um ein mit wissenschaftlichen Methoden entwickeltes Verfahren, bei dem eine hierfür ausgebildete dritte Person – die Mediatorin, der Mediator – den Streitparteien hilft, ihre ökonomischen und sonstigen Interessen zu definieren und eigenständige Konfliktlösungen zu erarbeiten, in denen die Bedürfnisse beider Seiten möglichst weitgehend berücksichtigt werden und es am Ende nicht Sieger und Besiegte gibt. Voraussetzung jeglicher Mediation ist, dass beide Seiten zumindest den Wunsch haben, ihren Konflikt einvernehmlich zu lösen.
Die Berufsbezeichnung „Mediator“ ist bisher gesetzlich nicht geschützt. Rechtlich ist niemand gehindert, sich so zu nennen und Mediation anzubieten. Die Mediatorinnen und Mediatoren der „ersten Generation“ in Deutschland haben sich zu Verbänden zusammengeschlossen und Standards für die Ausbildung erarbeitet, nach deren Abschluss den Absolventinnen und Absolventen die Befugnis erteilt wird, sich in ihrer Berufsbezeichnung auf den Verband zu berufen („BAFM“ = Bundesarbeitsgemeinschaft für Familienmediation; „BM“ = Bundesverband Mediation). Auch an Universitäten werden mittlerweile Ausbildungsgänge in Mediation angeboten, die mit Prüfungen abgeschlossen und durch entsprechende Zertifikate bestätigt werden.
Das reichhaltige Angebot an Aus- und Fortbildung und Supervision wird von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten wahrgenommen, die erkannt haben, dass rechtliche Kriterien und gerichtliche Verfahren für eine befriedigende und umfassende Problemlösung oft nicht ausreichen. Als Mediatorinnen und Mediatoren arbeiten aber auch Angehörige der verschiedenen psycho-sozialen Berufe wie Familientherapeuten, Psychologinnen, Sozialarbeiter und andere. Sie werden in Familiensachen allerdings oft mit Anwältinnen oder Anwälten zusammenarbeiten müssen; denn sobald rechtliche Aspekte in der Mediation Bedeutung gewinnen – beispielsweise bei der Erarbeitung und Formulierung einer Scheidungsfolgenvereinbarung –, muss das Rechtsberatungsgesetz beachtet werden, nach welchem die Rechtsberatung nicht allgemein erlaubt, sondern Rechtsanwälten, Hochschullehrern und zugelassenen Rechtsbeiständen vorbehalten ist. Das derzeit (2006) im Gesetzgebungsverfahren diskutierte Rechtsdienstleistungsgesetz sieht insoweit geringfügige Modifikationen, aber keine grundlegende Änderung vor.
Neben der lockeren Zusammenarbeit in Form von Empfehlungen und Informationsaustausch kommt auch der „Co-Mediation“ eine eigene Bedeutung zu. Hier wird die Mediation von einem Mediatorenpaar – in der Regel einer Frau und einem Mann – durchgeführt, das nach Möglichkeit beide Berufsfelder – den juristischen und den psycho-sozialen Bereich – repräsentiert. Dadurch steht ein breiteres Fachwissen zur Verfügung, beide Konfliktpartner finden in der Mediation eine Ansprechperson ihres eigenen Geschlechts, und das Mediatorenpaar kann bei der gemeinsamen Vor- und Nachbereitung der Gespräche miteinander Gedanken austauschen.
Die Tätigkeit der Mediatorinnen und Mediatoren wird in der Regel nach einem Stundensatz vergütet. Er kann generell festgesetzt oder am Einkommen der Beteiligten orientiert werden. Bei einem Stundensatz von beispielsweise 2 % des Bruttoeinkommens kann eine Serie von fünf bis zehn, gelegentlich auch mehr Gesprächen einige tausend Euro kosten. Auf den ersten Blick mag das teuer scheinen; aber wenn es den Eheleuten, Partnerinnen oder Partnern gelingt, noch teurere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und obendrein den Frieden zu bewahren, dann ist das Geld gut angelegt. Einige öffentliche Träger bieten auch kostenlose Mediation an.
Auch die Justiz und die Justizverwaltung sehen, dass die Mediation ein großes Potential an Konfliktvermeidung bietet. So werden verschiedene Modelle „gerichtsnaher“ Mediation erprobt, bei denen die Richterinnen und Richter in geeigneten Fällen die Mediation empfehlen und zu diesem Zwecke gegebenenfalls auch vorübergehend das Ruhen des gerichtlichen Verfahrens anordnen.
Die Rechtsschutzversicherungen haben ebenfalls erkannt, dass Mediation geeignet ist, Konflikte zu lösen und dadurch Kosten zu sparen. Zunehmend werden wohl künftig auch die Kosten der Mediation zu ihrem Leistungsangebot gehören. Steuerlich können solche Kosten gegebenenfalls auch als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
Die Prozesskostenhilfe umfasst nicht die Kosten einer Mediation.
Viele Fragen und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Mediation sind einstweilen noch offen.
Dazu gehört zum Beispiel das Problem des Zeugnisverweigerungsrechts für den Mediator. Gelingt es ihm, zwischen den beiden Streitenden ein Gespräch zu vermitteln, in dem sie ihre Ängste überwinden und offen miteinander über ihre Situation und ihre Wünsche reden, dann werden sie auch manches offenbaren, was sie als Kontrahenten eines Gerichtsverfahrens für sich behalten hätten. Wenn solch eine Mediation schließlich doch scheitert, dann kann eine Streitpartei es als zweckmäßig ansehen, die im Gespräch erhaltenen Informationen in das Gerichtsverfahren einzuführen und den Mediator als Zeugen zu benennen. Ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht hat er nicht. Dem Wesen der Mediation würde es aber widersprechen, den Inhalt der vertraulichen Gespräche nun als Kampfmittel zu benutzen. Es gibt Gerichtsbeschlüsse, durch welche die Vernehmung einer Mediatorin als Zeugin abgelehnt wurde mit der Begründung, durch die Vereinbarung der Mediation hätten die Parteien stillschweigend vereinbart, die dort erlangten Informationen im Streitfalle nicht gegeneinander zu verwenden. Andere Gerichte können aber auch anders entscheiden. Deshalb empfiehlt es sich, eine entsprechende Klausel ausdrücklich in die Mediationsvereinbarung aufzunehmen.
Weiterhin kann es beim Scheitern einer Mediation rechtliche Auseinandersetzungen darum geben, ob – und wie lange – der Ablauf einer gesetzlichen Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen unterbrochen war. Zwar sieht das Gesetz vor, dass eine Verjährungsfrist nicht weiterläuft, solange über „den Anspruch“ verhandelt wird (§ 203 BGB); aber bei der Mediation kann es sein, dass das Gespräch sich um Probleme in einem viel weiteren Zusammenhang und nicht um einen bestimmten Anspruch dreht. Außerdem kann es unklar sein, zu welchem Zeitpunkt das vielleicht zunächst nur unterbrochene und später nicht mehr aufgenommene Gespräch als gescheitert anzusehen war. So etwas kann ebenfalls in einer Mediationsvereinbarung klargestellt werden.
Auch dort, wo das Gespräch sich nicht um Rechtsfragen, sondern um Interessen und Bedürfnisse dreht, kann doch das Recht als Hintergrund nicht ignoriert werden. Ist die Mediatorin keine Juristin, so wird sie den Beteiligten ohnehin empfehlen, sich neben der Mediation parteiisch informieren und beraten zu lassen. Aber auch Mediatorinnen mit juristischem Berufshintergrund werden die gleiche Empfehlung geben; denn es ist nicht möglich, einerseits die gebotene Neutralität zu wahren und andererseits beiden Seiten jeweils parteiisch zu erläutern, was sie im Streitfalle – und mit welchen Mitteln – erreichen könnten.